Forschungsschwerpunkte des stav

Die Verbundpartner des stav beschäftigen sich mit unterschiedlichen Themen, die in Form von Schwerpunkten gemeinsam oder von einzelnen Partnern bearbeitet werden. Dabei geht es nicht nur um die Weiterentwicklung und Validierung von Auswahlverfahren, sondern auch um die Bearbeitung grundlegender Themen und ihre praktische Umsetzung, wie etwa den Aufbau einer fakultätsübergreifenden Datenbank als Grundlage für die wissenschaftliche Forschung, Aspekte des Datenschutzes und den Aufbau eines Studierendenauswahlzentrums.
Einen Einblick in die Arbeit der einzelnen stav Schwerpunktthemen gibt die folgende Übersicht.

Um Forschung betreiben zu können, benötigt man Daten. Im Schwerpunkt A geht es um den Aufbau einer fakultätsübergreifenden Datenbank, die als Grundlage für die standortübergreifende Beforschung von Auswahlverfahren dient. Hier werden die Daten der an den einzelnen Standorten verwendeten Auswahlkriterien mit Outcomedaten zum Studienerfolg und Berufsverlauf sowie soziodemographischen Daten zusammengeführt und für statistische Analysen aufbereitet.
Besondere Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der Datenschutz und die Entwicklung von datenschutzkonformen Konzepten für den Umgang und die Speicherung der Daten.
Außerdem werden die Kosten der Auswahlverfahren (Auswahl mittels Abiturnote, Studierendeneignungstests, SJTs, Berufserfahrung, Interviewverfahren) mit Ihrem Nutzen in Bezug auf Fairness, Vorhersagekraft für den Studienerfolg, als Vorbereitung auf das Studium und weitere Faktoren untersucht.

Im Schwerpunkt B geht es darum, die Güte von bestehenden Auswahlkriterien anhand retrospektiver Daten, also rückblickend zu untersuchen. Im Einzelnen schauen wir uns im Moment das Zusammenspiel der Kriterien Abiturnote, TMS und Berufserfahrung, drei der am häufigsten eingesetzten Kriterien an deutschen Fakultäten, in ihrer Wirkung auf den Studienerfolg an. Es geht also gewissermaßen um eine Bestandsaufnahme und darum, ob wir die richtigen Kriterien in der richtigen Gewichtung einsetzen, um wirklich die geeignetsten Bewerber auszuwählen. Dazu entwickeln wir zusätzlich Simulationstools, um abschätzen zu können, wie sich unterschiedliche Gewichtungen der Kriterien auf die Auswahl tatsächlich auswirken.

In diesem Schwerpunkt wird an der Entwicklung eines neuen Tests zu kognitiven Kompetenzen gearbeitet. Hier kommen sowohl aus TMS und HAM-Nat bewährte als auch neue und innovativere Aufgabentypen zum Einsatz, die in mehreren aufwändigen Studien in ihrer Fähigkeit verglichen werden, den Erfolg im Studium vorherzusagen. So soll ein gut validierter Test entstehen, der die Vorteile mehrerer Ansätze miteinander verbindet und deutschlandweit eingesetzt werden kann.

In diesem Schwerpunkt geht es darum, sogenannte Situational Judgement Tests zu entwickeln. Im Unterschied zu den Verfahren, bei denen es um kognitive Leistungen geht (wie dem stav-Test), sollen hierbei soziale Kompetenzen gemessen werden, also z.B. die Fähigkeit, sich einfühlsam zu verhalten. Bei diesen Verfahren wird der zu testenden Person eine soziale Situation vorgelegt mit verschiedenen Handlungsoptionen zur Auswahl. So könnte ein*e Bewerber*in beispielsweise gefragt werden, wie er oder sie sich in einem Konflikt mit dem Vorgesetzten verhalten würde. Im Rahmen des stav werden verschiedene Ansätze, solche Situationen zu entwickeln, miteinander verglichen, mit dem Ziel, einen Test zusammenzustellen, der den Studienerfolg in den relevantesten psychosozialen Kompetenzen vorhersagt. Der Test soll Fakultäten deutschlandweit zur Verfügung gestellt werden.

Zur Messung sozialer Kompetenzen werden typischerweise simulationsbasierte Verfahren eingesetzt. Im Rahmen der Medizinstudierendenauswahl haben sich dabei so genannte Multiple Mini Interviews (MMIs) etabliert. In diesen durchlaufen Bewerbende mehrere kurze Interview- oder Schaupielstationen und interagieren mit jeweils unterschiedlichen Juror*innen und Schauspielpatient*innen.

Ziel dieses Projektteils ist es, MMIs tiefergehender zu beleuchten. Insbesondere gilt es sicherzustellen, dass die sozialen Kompetenzen die mittels MMIs erfasst werden sollen auch wirklich gemessen werden (Konstruktvalidität). Hierfür wollen wir uns einen Überblick über bisher eingesetzte MMI Stationen (aus Deutschland) schaffen und diese kategorisieren. Darüber hinaus werden bestehende MMI Stationen (auf Basis von Videoanalysen) hinsichtlich ihrer Passung zu spezifischen Aspekten der sozialen Kompetenz analysiert. Darauf aufbauen wird ein Konzept zur Erstellung kompetenzbasierter MMI Stationen erstellt und mindestens drei neue Stationen entwickeln und pilotieren. Diese neu entwickelten MMI Stationen sollen auf ihre Vorhersagekraft für spätere Studierendenerfolgsparameter hin überprüft werden.

Im Schwerpunkt E geht es darum, Outcome-Kriterien für die Studierendenauswahl zu definieren und ggf. zu entwickeln. Die augenscheinlich besten Auswahlkriterien nutzen uns natürlich nichts, wenn wir keine Möglichkeit haben zu überprüfen, ob sie die tatsächliche Eignung in Studium und Beruf langfristig vorhersagen. Da es gerade im Bereich der Messung von psychosozialen Kriterien (z.B. Kommunikationsfähigkeit oder Empathie) im Medizinstudium noch wenig Einheitlichkeit innerhalb Deutschlands gibt, geht es hier zunächst auch darum, eine gemeinsame Sprache zu finden. Diesem Zweck dient beispielsweise die Entwicklung einer Matrix zur Definition von Prüfungsinhalten auf Basis der sogenannten Entrustable Professional Activities (EPAs), einem Katalog von Aktivitäten, die angehende Mediziner im Verlauf des Studiums zunehmend beherrschen sollen.

Potenzielle Outcome-Kriterien, die in diesem Schwerpunkt definiert werden, umfassen beispielsweise OSCE- oder Key-Feature-Prüfungsformate, die sozial-praktische bzw. Entscheidungsfertigkeiten messen sollen. Hier wird unter anderem gerade eine OSCE-Station zur Messung der Fähigkeit, Risiken (z.B. zum Krankheitsverlauf oder einer Therapieform) angemessen zu kommunizieren, standortübergreifend pilotiert – eine Fähigkeit, die vor dem Hintergrund der zunehmenden Forderungen nach einer evidenzbasierten Medizin sowie einer partizipativen Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient immer wichtiger wird.

Im Studierendenauswahlzentrum in Hamburg werden die im stav generierten Ergebnisse gesammelt. Ziel ist es, diese Ergebnisse allen deutschen Fakultäten für die Studierendenauswahl zur Verfügung zu stellen.
Dies beinhaltet die Bereitstellung der im stav entwickelten Auswahltests und -instrumente und auch die Möglichkeit, Fakultäten bei der Einführung und Durchführung von Verfahren wie den Multiplen Mini-Interviews (MMIs) zu unterstützen.